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wie Sie glauben; Gold und Diamanten glänzen in meiner
Nacht, in der Nacht des letzten Facino Cane; des letzten,
denn mein Rang geht auf die Memmi über. Großer Gott!
Die Strafe des Mörders hat früh begonnen! Ave Maria...«
Er sprach ein paar Gebete, die ich nicht verstand.
»Wir gehen nach Venedig!« sagte ich zu ihm, als er auf-
gestanden war.
»Ich habe also einen Mann gefunden!« rief er. Flammen-
de Röte war in sein Gesicht geschossen.
Ich gab ihm den Arm und führte ihn heim; am Tor der
Blindenanstalt drückte er mir die Hand. Gerade kamen
etliche von der Hochzeit vorbei und kreischten ihren
trunkenen Jubel in die Nacht hinein.
»Brechen wir morgen auf?« fragte der Greis. »Sobald wir
das nötige Geld haben.« »Aber wir können zu Fuß gehen,
ich werde betteln... Ich bin kräftig, und wenn man Gold
vor sich sieht, ist man jung.«
Facino Cane starb im Laufe des Winters, nachdem er
zwei Monate gelegen hatte. Der Ärmste hatte sich erkäl-
tet.
222
Sarrasine
Es ging mir, wie es vielen, selbst oberflächlichen Men-
schen, geht, wenn sie lärmenden Festen beiwohnen: ich
war in tiefes Träumen versunken. Von der Turmuhr des
Élysée-Bourbon schlug es eben Mitternacht. Ich saß in
einer Fensternische, die schweren Falten eines Moirévor-
hangs verbargen mich völlig, und ich konnte so ungestört
in den Garten des Palastes hinunterblicken, in dem ich
den Abend verbrachte. Die Bäume, auf denen spärlicher
Schnee lag, hoben sich undeutlich von dem grauen Hin-
tergrunde des Wolkenhimmels ab, der nur schwach vom
Mond erhellt wurde. Vor diesen phantastischen Wolken-
gebilden sahen sie etwa aus wie Gespenster, die nicht
recht von ihrem Laken bedeckt wären, und erinnerten an
den grauenhaften Eindruck des berühmten Totentanzes.
Und wenn ich mich dann umwandte, konnte ich den Tanz
der Lebenden erblicken. In einem strahlenden Saal, des-
sen Wände von Silber und Gold blitzten, beim Schimmer
der Kronleuchter, die unzählige Kerzen trugen, schweb-
ten und flogen in buntem Gewimmel die schönsten, die
reichsten, die vornehmsten Damen von Paris in all ihrem
glänzenden Staat und ihrer Diamantenpracht. Und Blu-
men überall: auf dem Kopf, im Haar, an der Brust, an den
Gewändern oder in Kränzen zu ihren Füßen. Das leichte
Beben, das durch die Körper ging, die weichen, wollüsti-
gen Schritte brachten die Spitzen, die Blenden, die Gaze
und Seide, die ihre schlanken Leiber verhüllten, in tan-
zende Bewegung. Hier und da funkelte ein blitzendes
Auge auf, verdunkelte die Lichter und das Feuer der Di-
amanten und brachte einen Sturm über Herzen, die schon
allzusehr entflammt waren. Man konnte auch beobach-
ten, wie die Liebhaber leise Zeichen der Ermunterung
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erhielten, während die Ehemänner abweisender Kälte
begegneten. Rufe von Spielern bei einer unerwarteten
Karte, das Rollen von Gold, die Musik, das Summen der
Gespräche, all das erscholl dem Ohr in wirrem Gedränge;
und um den verführerischen Zauber, den dieses tolle Fest
auf die Gesellschaft übte, voll zu machen, wirkten noch
der Dunst der Wohlgerüche und die allgemeine Trunken-
heit auf die aufgepeitschten Sinne. So hatte ich zur Rech-
ten das düstere, schweigende Bild des Todes, zur Linken
die von der Sitte gebändigten Bacchanalien des Lebens:
hier die kalte, düstere, von Trauer umschleierte Natur,
dort die Lust der Menschen. Ich hielt mich auf der Gren-
ze dieser beiden so verschiedenen Gemälde, die sich in
den mannigfaltigsten Gestalten in Paris unzählige Male
wiederholen und unsere Stadt zur amüsantesten und
zugleich zur philosophischsten der Welt machen, und
stellte ein seltsames Quodlibet von Ausgelassenheit und
Todesstimmung vor. Mit dem linken Fuß folgte ich dem
Takt der Musik, und den rechten meinte ich in einem
Sarg zu haben. Es ging mir in der Tat, wie es auf Bällen
häufig vorkommt: mein Bein war von der Zugluft, die
einem die Hälfte des Körpers fast starr macht, während
die andere Hälfte der drückenden Hitze der Säle ausge-
setzt ist, wie zu Eis geworden. »Herr von Lauty besitzt
dieses Haus noch nicht lange?« »O doch. Es sind zehn
Jahre her, daß es ihm der Marschall von Garigliano ver-
kauft hat.« »Ah!« »Diese Leute müssen ein ungeheures
Vermögen besitzen.« »Das muß wohl so sein.« »Was für
ein Fest! Ein wahrhaft unverschämter Luxus.« »Halten
Sie sie für ebenso reich wie Herrn von Nucingen oder
Herrn von Gondreville?« »Aber wissen Sie denn
nicht...?«
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Ich bog den Kopf vor und erkannte die beiden Sprecher
als Angehörige der Klasse der Neugierigen, die sich in
Paris mit nichts anderm beschäftigt als dem Warum?
Wieso? Woher kommt er? Wer sind sie? Was gibts Neu-
es? Was hat sie angestellt? Sie fingen an leise zu spre-
chen und entfernten sich, wahrscheinlich um auf einem
stillen Sofa ungestörter plaudern zu können. Niemals
hatte sich für Leute, die hinter Geheimnissen her sind,
eine ergiebigere Ader eröffnet. Kein Mensch hatte eine
Ahnung, aus welchem Lande die Familie Lauty gekom-
men war oder aus welchem Handel, aus welcher Plünde-
rung, aus welchem Raubzug oder welcher Erbschaft ihr
Vermögen stammte, das auf mehrere Millionen geschätzt
wurde. Alle Angehörigen dieser Familie sprachen Italie-
nisch, Französisch, Spanisch, Englisch und Deutsch so
geläufig, daß man annehmen mußte, sie hätten sich ziem-
lich lange in all diesen Ländern aufgehalten. Waren es
Zigeuner oder Seeräuber?
»Und wenn es der Teufel wäre,« sagten junge Politiker,
»ihr Fest ist wundervoll!«
»Und wenn der Graf von Lauty einen marokkanischen
Palast geplündert hätte, seine Tochter nähme ich doch zur
Frau!« rief ein Philosoph.
Wer hätte Marianina nicht zur Frau genommen, dieses
sechzehnjährige Mädchen, dessen Schönheit die phantas-
tischen Märchen der orientalischen Dichter zur Wirklich- [ Pobierz caÅ‚ość w formacie PDF ]
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